Schleswig-Holstein Entdecken: 4-tägige Wanderung mit Zelt
In vier Tagen einen Teil Schleswig-Holsteins zu Fuß und mit Zelt erkunden – wildcampen ist nicht erlaubt. Kein Problem mit den Trekkingplätzen „Wildes SH”, an deren Standorten sich die Route orientiert. Die Tour startet in der hügeligen Endmoränenlandschaft in den Hüttener Bergen. Weiter geht’s entlang des Ostseefjords Schlei bis zum Naturschutzgebiet Geltinger Birk direkt an der Ostsee. Ich nehme dich mit auf eine Wanderung durch die wilde Natur Schleswig-Holsteins. Hier verrate ich dir, was du für die Tour brauchst, wo es langgeht und noch einiges mehr!
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Übersicht
4-Tages-Wanderung mit Zelt
Landschaft: Naturpark Hüttener Berge, Naturpark Schlei, Naturschutzgebiet Geltinger Birk
Übernachtungsplätze: Wildes SH Trekkingplätze, Campingplatz
Kilometer gesamt: 65km
Anforderung: leicht
Route
Packliste
Etappen
ETAPPE 1: AUF DEM NATURPARKWANDERWEG VON BORGSTESTEDT ZUM TREKKINGPLATZ WILDES SH SCHOOTHORSTER TAL I
16,7km | 4:30h | Komoot
Die erste Etappe führt komplett auf dem Naturparkwanderweg durch den Naturpark Hüttener Berge. Hier gibt es keine Einkaufsmöglichkeit. Zeckenschutz ist ein Muss!
Naturparkwanderweg: Der Naturparkwanderweg verbindet die vier Naturparks Schlei, Hüttener Berge, Westensee und Aukrug in Schleswig-Holstein. Der gesamte Weg ist 180 km lang und in beide Richtungen mit gelben Pfeilen markiert. [1]
Hüttener Berge: Der Naturpark Hüttener Berge ist der kleinste in Schleswig-Holstein und liegt im Städtedreieck Eckernförde – Rendsburg – Schleswig. Durch die Eiszeit geprägt, findet man hier eine abwechslungsreiche Natur mit großen und kleinen Seen, Wäldern, Mooren und Hügeln. [2]
Die Wanderung von Borgstedt aus startet auf Asphalt und ist ständig in Hörweite der Autobahn. Aber sobald man in der Natur und auf Wanderwegen ist, wird schnell klar, dass die Hüttener Berge einiges zu bieten haben! Wunderschöne Wege durch eine fast schon verwunschen wirkende hügelige Landschaft mit Ausblick auf den Bistensee, der eine ausgezeichnete Wasserqualität hat [3]. Weiter geht’s auf den Aschberg. Oben angekommen, habe ich eine kurze Pause gemacht [4]. Auf der Hügelspitze befindet sich ein Panoramahotel mit Restaurant, wo ich nochmal meine Wasservorräte auffüllen konnte. Ein Aussichtsturm ist ebenfalls auf der Spitze zu finden, für den habe ich leider keine Kraft mehr gehabt. Von hier aus kann man bis zur Ostsee gucken, wenn das Wetter mitspielt. Nun ging es die letzten Kilometer zu meinem ersten Trekkingplatz Wildes SH, der in der Nähe vom Naturparkwanderweg liegt.
Trekkingplätze Wildes SH: 30 Trekkingplätze werden von der Stiftung Naturschutz und dem Netzwerk Wildes Schleswig-Holstein angeboten. Meist sind die Plätze nur mit dem Rad oder zu Fuß erreichbar [5]. Bitte beachtet die Regeln zu den einzelnen Plätzen. Die findet ihr unter: https://stiftungsland.de/stiftungsland/
Der Trekkingplatz Schoothorster Tal I ist wirklich schön gelegen, an einer kleinen Seitenstraße und mit Ausblick auf die hügelige Landschaft. Er ist abgezäunt und mit einem kleinen Tor begehbar, direkt an einer Kuhweide. Es gibt genug Platz für drei kleine Zelte und gut versorgt mit ausreichend Sitzmöglichkeiten. Geschafft von meinem ersten Tag und den 17 Kilometern stelle ich mein Zelt auf und bereite meinen Quinoa-Cup zu, genieße die Aussicht und die Stille. Im ersten Moment fällt es mir meist schwer, mich auf die komplette Ruhe und den minimalistischen Wanderalltag einzulassen. Der Alltag, die To-dos hängen noch im Hinterkopf, die Anziehungskraft der sozialen Medien wirkt weiterhin. Mit der Zeit vergeht dieses „Hinterkopfgenuschel“. Dann ist da nur noch das Wandern, die Landschaft, das Beobachten der Natur. Die Stille schleicht sich ein. Nur noch ein Schritt vor den nächsten setzen und dabei die Wunder der Natur genießen.
Die erste Nacht allein auf so einem Trekkingplatz. Ganz ohne Angst-Gedanken wie „Was ist, wenn jemand vorbeikommt, in mein Zelt kommt? Ich bin allein. Was tue ich dann?“ bin ich nicht. Das Schöne an der Angst ist, dass sie uns beschützen möchte und zur Vorsicht aufruft. Das Tückische an ihr ist, dass sie uns einschränken kann, uns zurück- und festhält. Ich möchte meiner Angst beweisen, dass es keinen Grund zur Sorge gibt, indem ich mich solchen Situationen aussetze, in denen sie laut in mir anfängt zu schreien. Nun, in dieser Nacht wurde sie nochmal herausgefordert. Die kleine Nebenstraße an dem Trekkingplatz ist auch mit Autos befahrbar. Und so kam es, dass mitten in der Nacht ein Auto mit lauter Musik auf dieser Straße fuhr und, natürlich, direkt an meinem Trekkingplatz anhielt.
Die Türen gingen auf und meine Angst schrillte in höchsten Tönen. Blitzschnell entwarf mein Gehirn einen Fluchtplan, aus welcher Zeltöffnung ich am besten zur Flucht ansetzte, falls jemand in mein Zelt kommen sollte. Ich hörte Stimmen, Männerstimmen… und da! Eine Frauenstimme, ich atme auf. Puhhhh! Jugendliche, die deutlich enttäuscht darüber sind, dass ihr Lieblingsplatz von mir besetzt ist. Mein Herz und meine Angst beruhigen sich nur langsam. Naja, also eher eine semi-optimale Lernerfahrung für meine Angst. Oder vielleicht doch eine gute? Schließlich ist das Worst-Case-Szenario meiner Angst nicht eingetreten. Vielleicht hat sie ja doch was gelernt – dass Jugendliche auch gern ein stilles Plätzchen mit schöner Aussicht genießen wollen.
Die Nacht endet zu dieser Zeit des Jahres sehr zeitig mit wunderschönem Vogelgezwitscher direkt neben meinem Zelt. Auf geht’s in den neuen Tag, eine neue Wanderung mit unbekannten Wegen und Orten liegt vor mir.
ETAPPE 2: AUF DEM NATURPARKWANDERWEG VOM TREKKINGPLATZ WILDES SH SCHOOTHORSTER TAL I ZUM CAMPINGPLATZ WEES AN DER SCHLEI
18,4km | 4:45h | Komoot
Der zweite Wandertag folgt bis kurz vor Ende der Etappe weiterhin dem Naturparkwanderweg. Eine Einkaufsmöglichkeit gibt es heute in Fleckeby, ein kleiner Abstecher muss dafür eingeplant werden. Los geht’s auf vielen breiten Wegen in Wald und über Feld. Heute deutlich langsamer als den Tag zuvor. 17 Kilometer mit extra 15 Kilo auf dem Rücken gehen eben nicht spurlos an mir vorüber. Heute wird jede, sich anbietende Sitzgelegenheit mitgenommen und genossen. In Fleckeby angekommen gönne ich mir ein unleckeres Stück Mandarinen-Käsekuchen und einen Apfelsaft. Leicht übel nach meinem kleinen Zucker-Snack mache ich den Abstecher zum Supermarkt. Aus unnötiger Angst zu verdursten decke ich mich mit zu viel Wasser für die letzten Kilometer ein. Ab Fleckeby verläuft der Naturparkwanderweg im Naturpark Schlei.
Naturpark Schlei: Im Mittelpunkt des Naturparks steht der knapp 40km lange Meeresarm Schlei. Hier werden Süß-, Brack- und Salzwasserlebensräume miteinander vereint, was sich in der Artenvielfalt widerspiegelt. [6]
Bis nach Weseby verläuft der Wanderweg entweder direkt an der Schlei oder gibt immer wieder traumhafte Blicke auf den Meeresarm frei. Ab hier nimmt der Naturparkwanderweg eine Route Richtung Inland und ich damit eine andere. Ich habe mir einen eigenen Weg bis zum Campingplatz zusammengestellt und das war die absolut richtige Entscheidung. Auch wenn es etwas kitschig klingt, ich bin ein bisschen verzaubert von der Landschaft und den Ausblicken. Immer wieder dankbar, dass ich das gerade erleben darf.
Mein heutiger Übernachtungsplatz ist anstatt des Trekkingplatzes Wildes SH bei Kosel der Campingplatz Wees in Missunde. Hier habe ich umdisponiert, da ich am nächsten Morgen einen Bus zu meinem Startpunkt der nächsten Etappe nehmen möchte und von hier aus die Verbindung besser sind.
Und doch ist es bereits komisch auf dem Campingplatz wieder unter Menschen zu sein, nach zwei Wandertagen und einer Übernachtung allein. Schön und komisch zu gleich. Schön, weil meine Angst der letzten Nacht nun sehr beruhigt ist. Komisch, weil dieses bestimmte „Wandergefühl“ bereits eingesetzt hat. Das intensive Wahrnehmen der Umgebung, das Gefühl in der Stille versinken zu können. Und dieses Gefühl ist von den vielen Reizen auf dem Campingplatz direkt überfordert. Für die Dusche nach den zwei verschwitzten Wandertagen hat sich die Übernachtung hier aber allemal gelohnt!
ETAPPE 3: AUF DEM NATURPARKWANDERWEG VON SIESEBY NACH KAPPELN
13,3km | 3:25h | Komoot
Der Tag der dritten Etappe startet zeitig und im Verlauf habe ich eine Routenänderung vorgenommen. Mit dem Bus geht es von Missunde zum Startpunkt der Wanderung nach Sieseby.
Sieseby: Bekannt für die gut erhaltenen reetgedeckten Häuser. Durch den Hamburger Kaufmann Gustav Anton Schäffer, dessen Initialen an vielen Häusern zu finden sind. [7]
Direkt an der Schlei gelegen, lädt das Dorf zum Erkunden und Rasten ein. Als erstes habe ich eine Frühstückspause auf einem wunderschönen Platz mit Blick aufs Wasser gemacht. Frisch gestärkt und mit ordentlich Anlaufschmerzen starte ich die Wanderung auf einem Weg direkt an der Schlei, gesäumt von wilden hohen Wiesen und singenden, wippenden Vögeln auf Schilf. Heute nehme ich nur noch jede zweite Bank für ein kurzes Päuschen mit und zum frühen Nachmittag erreiche ich bereits Kappeln.
Fähre Arnis: Eigentlich nimmt der Naturparkwanderweg die Fähre Arnis auf dem Weg von Sieseby nach Kappeln. Als ich den Weg gelaufen bin, war sie leider außer Betrieb.
Hier gibt’s noch eine Routenänderung. Eigentlich wollte ich mit einem Ausflugsdampfer auf der Schlei nach Maasholm übersetzen und von dort meine Wanderung zu einem Campingplatz am Meer fortsetzen. Nun ist leider ein Wetterumschwung in zwei Tagen vorhergesagt und ich wollte unbedingt noch einen Trekkingplatz Wildes SH mitnehmen. Ich habe mich entschieden, von Kappeln mit dem Bus Richtung Trekkingplatz Koppelheck zu fahren, dort zu übernachten und am nächsten Tag den Geltinger Birk von der anderen Seite aus zu erwandern.
Nach der Änderung habe ich in Kappeln noch genug Zeit für einen leckeren Flammkuchen in einer sehr schönen Vinothek. Mit dem Bus fahre ich bis zur Haltestelle Gelting Mole und von dort aus laufe ich meine letzten Kilometer für den Tag bis zum Schlafplatz. Als ich am Trekkingplatz ankomme, ist dort bereits einiges los. Auch wenn ich mich an einem Samstagabend darauf eingestellt habe, nicht allein zu sein, überkommt mich erstmal leichter Unmut. „Ich wollte doch allein sein, Ruhe und Natur genießen“ geht mir durch den Kopf. So setze ich mich erstmal leicht geknickt auf eine Bank mit Blick aufs Meer und lese in meinem Buch. Mit der Zeit verfliegt mein Unmut und ich suche mir ein Plätzchen im hohen Gras.
An die Nacht auf dem Trekkingplatz denke ich besonders gern zurück. Es ist so warm, dass ich beide Eingänge des Außenzeltes offenlassen kann. Wind der sanft durch das Zelt streicht, der Duft von hohem Gras und Vogelgesang direkt neben mir. Am nächsten Morgen der Sonnenaufgang den ich direkt aus meinem Zelt beobachten kann – einfach herrlich.
ETAPPE 4: VOM TREKKINGPLATZ WILDES SH KOPPELHECK ÜBER DEN GELTINGER BIRK ZUM CAMPINGPLATZ SEEHOF AN DER OSTSEE
15,3km | 4:00h
Mit einem dringenden Geschäft beginnt mein letzter Wandertag. Gar nicht so leicht in so einer öffentlichen Umgebung ein ruhiges Plätzchen zu finden. Schließlich fündig geworden an einem leicht versteckten Feldrand, kann ich erleichtert in den Tag starten.
An dieser Stelle ein paar Tipps für das große Geschäft in der freien Natur: Wo? Abseits vom Wanderweg, von Bächen oder Gewässern (da unser großes Geschäft gefährlich für Tiere sein kann) | Wie? Möglichst Extremente verscharren oder vergraben | Hack: Plastiktüte für das Klopapier/Taschentücher mitnehmen (es dauert ziemlich lang, bis sich das in der Natur zersetzt hat, plus es sieht einfach nicht schön aus!) [8]
Heute liegt eine Etappe vor mir, die fast durchgängig am Meer verläuft. Vom Trekkingplatz aus starte ich Richtung Geltinger Mole. Dort frage ich im Hafenbüro nach Wasser für den Tag. Der sehr hilfsbereite Hafenmeister bietet mir zu dem Wasser direkt noch übriggebliebene Brötchen von den Segelboot-Bestellungen an.
Auch für solche Momente bin ich gern allein unterwegs. Ich begebe mich in eine Situation, in der ich je nach Landschaft mehr oder weniger auf Hilfe von anderen angewiesen bin. Das ist ein komisches Gefühl, was ich heutzutage kaum noch zulasse in unserer individualisierten Welt, in der wir versuchen, alles allein hinzubekommen. Diese kleinen Momente, zum Beispiel, jemanden wildfremden nach Wasser zu fragen und immer wieder zu merken, dass es alles Menschen wie du und ich sind, sind echt schön. Es ist toll zu spüren, dass wir doch füreinander da sind und bereit sind, uns umeinander zu kümmern. Das ist immer wieder eine schöne und auch mit jedem Menschen einzigartige Erfahrung.
Weiter geht’s entlang an der Ostsee im Naturschutzgebiet Geltinger Birk.
Naturschutzgebiet Geltinger Birk: Das Naturschutzgebiet liegt auf einer Halbinsel und bietet Lebensraum für eine Vielzahl an Vogelarten. Neben den Vögeln kann man hier auch zwei Arten an Landschaftspflegern beobachten: Koniks, Wildpferde aus den Niederlanden und Galloways. [9]
Nach vielen schönen Aussichtspausen im Naturschutzgebiet, bin ich am Campingplatz Seehof und damit am Ende meiner Wanderung angekommen.
Dankbar für die Momente mit und in der Natur.
Dankbar für die Momente mit Menschen, auch wenn sie nur kurz waren.
Die Tour lief anders als geplant, aber trotz Planänderung vollkommen.
Optionen
von Trekkingplatz Wildes SH „Koppelheck“ zum Trekkingsplatz Wildes SH „Husby“
Vom Trekkingsplatz Wildes SH „Husby“ zum Trekkingsplatz Wildes SH in Flensburg
literatur
HANSJÖRG SCHERTENLEIB - PALAST DER STILLE
Ein Buch, das Ruhe bringt und zum Versinken einlädt. Für mich war es die perfekte Begleitung für die Wandertour. Hansjörg Schertenleib nimmt uns mit in seinen Alltag auf einem Insel-Cottage in den USA, das er mit seiner Katze Smilla bewohnt. Eine Kombination aus dem Alltäglichem, Lebensrückblicken und Einblicken in seine Arbeit als Schriftsteller.
Schertenleib H. Palast der Stille. Zürich: Kampa, 2021.
Quellen
[1] Der Naturparkwanderweg – Ein Wanderweg durch Schleswig-Holstein. Der Naturparkwanderweg, https://naturparkwanderweg.de/ (accessed 4 July 2023).
[2] Herzlich Willkommen im Naturpark Hüttener Berge!, https://www.naturpark-huettenerberge.de/startseite/ (accessed 4 July 2023).
[3] Kreis Rendsburg-Eckernförde | Badewasserqualität, https://www.kreis-rendsburg-eckernfoerde.de/wirtschaft-tourismus/tourismus/badestellen/badewasserqualitaet?refNr=37 (accessed 4 July 2023).
[4] Aschberg (Schleswig-Holstein). Wikipedia, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Aschberg_(Schleswig-Holstein)&oldid=197792991 (2020, accessed 4 July 2023).
[5] stiftungsland, https://stiftungsland.de/stiftungsland/ (accessed 4 July 2023).
[6] Naturpark Schlei, https://www.naturparkschlei.de/ (accessed 4 July 2023).
[7] Urlaub in Sieseby, https://www.ostseefjordschlei.de/regionen/schwansen/sieseby (accessed 6 July 2023).
[8] Gärtner J, Gareis, N. Natur: Unterwegs ohne Klo kacken. Deutschlandfunk Nova, https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/outdoor-wohin-mit-der-scheisse-wenn-wir-in-der-natur-unterwegs-sind (2020, accessed 6 July 2023).
[9] Die Birk. Naturschutzgebiet Geltinger Birk, https://www.geltinger-birk.de/geltinger-birk/die-birk/ (accessed 6 July 2023).